Das Modell der 24-Stunden Betreuung
- Akutpflege Mitterlechner
- 25. Nov. 2024
- 6 Min. Lesezeit

Alles, was Sie wissen müssen.
Die Versorgung pflegebedürftiger Menschen stellt viele Familien vor große Herausforderungen. Während der Wunsch, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu bleiben, für viele Betroffene und Angehörige zentral ist, erfordert eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung eine gut durchdachte Organisation und verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen. Hier setzt das Modell der 24-Stunden-Betreuung an, das sowohl pflegerische als auch alltägliche Unterstützung ermöglicht – und dies auf legalem, klar geregeltem Weg.
Doch wie funktioniert eine solche Betreuung? Welche rechtlichen Vorgaben gelten? Und wie wird die finanzielle Belastung durch Förderungen abgefedert? Diese Fragen sind nicht nur für Betroffene und Angehörige entscheidend, sondern auch für jene, die als Betreuungspersonen oder Vermittlungsagenturen tätig werden wollen. Die 24-Stunden-Betreuung ist dabei mehr als eine Dienstleistung – sie schafft die Möglichkeit, Pflege individuell und in familiärer Umgebung zu gestalten.
In diesem umfassenden Überblick erfahren Sie alles Wissenswerte: von den gesetzlichen Grundlagen und den Aufgaben der Betreuungspersonen bis hin zur Förderlandschaft und Qualitätssicherung. Egal, ob Sie sich gerade erstmals mit dem Thema auseinandersetzen oder bereits mittendrin stecken – dieser Beitrag liefert Ihnen praxisnahe Informationen und wertvolle Tipps, um die beste Lösung für Ihre individuelle Situation zu finden.
Rechtliche Grundlagen der 24-Stunden-Betreuung
Basis der Regelung
Die rechtlichen Voraussetzungen für die 24-Stunden-Betreuung wurden 2007 durch eine Novelle der Gewerbeordnung und das Hausbetreuungsgesetz geschaffen. Dieses Modell ermöglicht es pflegebedürftigen Menschen, Betreuungsdienstleistungen legal in Anspruch zu nehmen. Die Gesetzesänderungen legen fest, wie die Betreuung organisiert werden kann und welche Tätigkeiten Betreuungspersonen ausführen dürfen.
Organisation der Betreuung
Betreuungsmodelle
Für die 24-Stunden-Betreuung gibt es drei mögliche Modelle, die sich in der Art der Anstellung unterscheiden:
Anstellung durch die betreute Person oder Angehörige:
Die Betreuungsperson wird als Arbeitnehmer:in beschäftigt.
Die Rechte und Pflichten orientieren sich am klassischen Arbeitsverhältnis.
Anstellung bei gemeinnützigen Organisationen:
Betreuungspersonen sind bei Institutionen wie Volkshilfe, Caritas, Rotes Kreuz oder Hilfswerk angestellt.
Organisationen übernehmen administrative Aufgaben und koordinieren die Betreuung.
Selbstständige Betreuung:
Die Betreuungsperson verfügt über einen Gewerbeschein und arbeitet auf selbstständiger Basis.
Sie entscheidet eigenständig über die Ausführung der Aufgaben und kann sich bei Bedarf vertreten lassen.
Aufgaben der Betreuungspersonen
Erlaubte Tätigkeiten
Die Aufgaben von Betreuungspersonen richten sich nach dem Hausbetreuungsgesetz und der Gewerbeordnung. Sie umfassen:
Haushaltsnahe Dienstleistungen:
Zubereitung von Mahlzeiten, Reinigung, Wäschepflege, Botengänge und Pflanzenpflege.
Sorge für ein gesundes Raumklima durch Lüften und ähnliche Maßnahmen.
Unterstützung im Alltag:
Hilfe bei der Tagesplanung und Durchführung alltäglicher Verrichtungen wie Anziehen oder Mobilität.
Soziale Unterstützung:
Gesellschaft leisten, Gespräche führen und Begleitung bei Freizeitaktivitäten.
Vorbereitung auf Ortswechsel:
Packen von Gepäck oder Unterstützung bei Umzügen.
Einschränkungen bei medizinischen und pflegerischen Tätigkeiten
Betreuungspersonen dürfen keine medizinischen oder pflegerischen Tätigkeiten ausführen, es sei denn, diese wurden speziell delegiert. Hierbei gelten strenge Anforderungen:
Pflegerische Tätigkeiten wie Unterstützung bei der Körperpflege oder der Arzneimittelgabe sind nur nach Unterweisung und schriftlicher Anordnung durch Fachpersonal erlaubt.
Medizinische Tätigkeiten wie das Verabreichen von Insulinspritzen oder die Blutentnahme aus der Kapillare zur Zuckermessung dürfen ebenfalls nur unter klaren Bedingungen und im Einzelfall durchgeführt werden.
Förderungsmodell des Sozialministeriums
Voraussetzungen für die Förderung
Um eine finanzielle Unterstützung für die 24-Stunden-Betreuung zu erhalten, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
Pflegegeld:
Die betreute Person muss mindestens Pflegegeld der Stufe 3 beziehen.
Bei Pflegegeld ab Stufe 5 wird eine 24-Stunden-Betreuung automatisch als notwendig angesehen.
Nachweis der Betreuungssituation:
Ein Betreuungsverhältnis im Sinne des Hausbetreuungsgesetzes muss vorliegen.
Die Betreuungsperson muss in die Hausgemeinschaft aufgenommen werden.
Einkommensgrenzen für die Förderung
Das monatliche Netto-Einkommen der betreuten Person darf 2.500 Euro nicht übersteigen.
Die Grenze erhöht sich um 400 Euro pro unterhaltsberechtigte Person und um 600 Euro für Angehörige mit Behinderung.
Pflegegeld, Sonderzahlungen, Familienbeihilfe oder vergleichbare Leistungen zählen nicht zum Einkommen.
Höhe der finanziellen Unterstützung
Förderbeträge
Die Höhe der Förderung richtet sich nach dem Beschäftigungsmodell der Betreuungsperson:
Angestellte Betreuungspersonen:
640 Euro monatlich pro Person.
1.280 Euro bei zwei Betreuungspersonen.
Selbstständige Betreuungspersonen:
320 Euro monatlich pro Person.
640 Euro bei zwei Betreuungspersonen.
Der Unterschied erklärt sich durch die variierenden Sozialversicherungsabgaben.
Sonderregelungen bei Einkommensüberschreitungen
Wenn das Einkommen der betreuten Person die Grenze von 2.500 Euro nur geringfügig übersteigt, kann dennoch eine reduzierte Förderung gewährt werden. Voraussetzung ist, dass der Differenzbetrag mindestens 50 Euro beträgt.
Antragstellung und notwendige Unterlagen
Wo beantragen?
Anträge werden beim Sozialministeriumservice gestellt. Formulare können auf der Website heruntergeladen oder postalisch angefordert werden. Alternativ ist auch eine Online-Einreichung möglich, die eine Bürgerkarte oder Handysignatur erfordert.
Benötigte Unterlagen:
Folgende Dokumente müssen dem Antrag beigelegt werden:
Einkommensnachweise der betreuten Person.
Nachweise über Unterhaltsverpflichtungen.
Qualifikationsnachweise der Betreuungsperson (z. B. Ausbildung zur Heimhilfe).
Sozialversicherungsnachweis bei Betreuungspersonen aus dem EU-Ausland.
Voraussetzungen für eine bis zu 24-Stunden-Betreuung
Das Hausbetreuungsgesetz ermöglicht durch erweiterte Arbeitszeitgrenzen eine bis zu 24-Stunden-Betreuung durch unselbstständige Betreuungspersonen. Die wesentlichen Voraussetzungen dafür sind:
Pflegegeldanspruch:
Die betreute Person muss zumindest Pflegegeld der Stufe 3 nach dem Bundespflegegeldgesetz beziehen. Bei einer nachweislichen Demenzerkrankung genügt Pflegegeld der Stufen 1 oder 2.
Mindestalter der Betreuungsperson:
Betreuungspersonen müssen mindestens 18 Jahre alt sein.
Arbeitszeitrhythmus:
Nach maximal 14 Arbeitstagen muss eine ebenso lange Freizeitphase gewährt werden (z. B. 14 Tage Arbeit, 14 Tage frei oder 7/7-Tage-Rhythmus).
Wohnraum und Verpflegung:
Betreuungspersonen müssen während der Arbeitszeit in die Hausgemeinschaft aufgenommen werden.
Arbeitszeitumfang:
Die wöchentliche Arbeitszeit muss mindestens 48 Stunden betragen.
Tätigkeitsbeschränkung:
Es dürfen nur Betreuungstätigkeiten ausgeübt werden, die im Hausbetreuungsgesetz klar definiert sind.
Regelungen für selbstständige Betreuungspersonen
Selbstständige Betreuungspersonen, die das Gewerbe der Personenbetreuung ausüben, haben die Möglichkeit, ihre Arbeitszeiten flexibel zu vereinbaren. Es gelten jedoch Anforderungen wie die Gewerbeanmeldung und ein schriftlicher Betreuungsvertrag, der wesentliche Inhalte wie Leistungsbeschreibung, Werklohn und Kündigungsmodalitäten regeln muss.
Arbeitszeitregelungen laut Hausbetreuungsgesetz
Arbeitszeit für unselbstständige Betreuungspersonen
Die Arbeitszeiten sind gesetzlich geregelt, um den Schutz der Arbeitnehmer:innen zu gewährleisten:
Maximalarbeitszeit:
Innerhalb von zwei Wochen darf die Arbeitszeit inklusive Arbeitsbereitschaft 128 Stunden nicht überschreiten.
Ruhepausen:
Mindestens drei Stunden tägliche Pause sind vorgeschrieben, davon mindestens zwei Pausen von je 30 Minuten.
Arbeitsbereitschaft:
Für 21 Stunden täglich kann Arbeitsbereitschaft vereinbart werden. Tatsächliche Arbeitseinsätze sind jedoch auf maximal 11 Stunden täglich begrenzt.
Wechsel von Betreuungspersonen:
Um eine lückenlose Betreuung zu gewährleisten, sind mindestens zwei Betreuungspersonen erforderlich.
Selbstständige Betreuungspersonen
Selbstständige Personenbetreuer:innen unterliegen keinen festen Arbeitszeitregelungen. Die Bedingungen werden individuell im Betreuungsvertrag vereinbart.
Maßnahmen zur Qualitätssicherung
Die Qualität der 24-Stunden-Betreuung steht im Fokus und wird durch gesetzliche Vorgaben sichergestellt. Betreuungspersonen sind verpflichtet:
Notfallprozeduren:
Im Alltag und Notfall müssen klare Handlungsleitlinien eingehalten werden, z. B. die Verständigung von Angehörigen oder Ärzt:innen bei Verschlechterung des Gesundheitszustands.
Zusammenarbeit:
Betreuungspersonen arbeiten eng mit mobilen Diensten, Hilfsorganisationen und anderen involvierten Fachkräften zusammen.
Dokumentation:
Für selbstständige Betreuungspersonen ist die Führung eines Haushaltsbuches vorgeschrieben.
Qualitätssicherung:
Ein kostenloser Hausbesuch durch diplomierte Pflegekräfte zur Überprüfung der Betreuungssituation ist verpflichtend.
Qualitätszertifikat (ÖQZ-24):
Vermittlungsagenturen können sich zertifizieren lassen, um die Qualität und Transparenz in der Betreuung zu erhöhen.
Organisation der 24-Stunden-Betreuung
Beschäftigung von unselbstständigen Betreuungspersonen
Arbeitgeber:innen tragen die Verantwortung für die Anmeldung zur Sozialversicherung und die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Vorgaben. Zusätzlich müssen sie Lohnnebenkosten sowie steuerliche Verpflichtungen erfüllen.
Gewerbeanmeldung für selbstständige Betreuungspersonen
Selbstständige Betreuungspersonen benötigen eine Gewerbeanmeldung, sofern sie dauerhaft in Österreich tätig sind. Der schriftliche Betreuungsvertrag muss unter anderem folgende Punkte enthalten:
Leistungsbeschreibung
Vergütung und Steuerpflichten
Regelungen zur Vertretung und zur Kündigung des Vertrags.
Kosten und Fördermöglichkeiten
Die Kosten für eine 24-Stunden-Betreuung variieren je nach Beschäftigungsform. Bei unselbstständigen Betreuungspersonen fallen Gehalt, Sozialabgaben und Steuern an. Selbstständige Betreuungspersonen und ihre Auftraggeber:innen vereinbaren Honorar und Leistungen frei. Details zu Förderungen und steuerlichen Absetzmöglichkeiten finden sich auf den Seiten des Sozialministeriums und Finanzministeriums.
Fazit zur 24-Stunden-Betreuung
Die 24-Stunden-Betreuung bietet eine wichtige Lösung für pflegebedürftige Menschen, die in ihrem vertrauten Zuhause bleiben möchten. Sie vereint legale Rahmenbedingungen, individuell angepasste Betreuung und finanzielle Fördermöglichkeiten, um die Lebensqualität sowohl der Betroffenen als auch der Angehörigen zu sichern.
Rechtliche Klarheit und flexible Modelle
Dank gesetzlicher Regelungen, wie dem Hausbetreuungsgesetz, können Betreuungspersonen sowohl angestellt als auch selbstständig tätig sein. Dadurch entsteht ein breites Spektrum an Organisationsmöglichkeiten, das sich an den Bedürfnissen der Betreuten orientiert. Gleichzeitig sorgen die festgelegten Aufgabenbereiche und die Einschränkungen bei medizinischen Tätigkeiten für Transparenz und Sicherheit.
Finanzielle Entlastung durch Förderungen
Die finanzielle Unterstützung durch das Sozialministerium hilft, die hohen Kosten der Betreuung zu reduzieren. Förderbeträge variieren je nach Beschäftigungsform, und einkommensabhängige Zuschüsse ermöglichen es auch Familien mit begrenzten finanziellen Mitteln, diese Betreuungsform zu nutzen. Wichtig ist dabei, die Voraussetzungen und notwendigen Unterlagen frühzeitig zu klären, um Verzögerungen zu vermeiden.
Qualitätssicherung als Schlüssel
Die Maßnahmen zur Qualitätssicherung, wie verpflichtende Hausbesuche und die Zusammenarbeit mit Fachkräften, garantieren eine hohe Betreuungsqualität. Das ÖQZ-24-Zertifikat stärkt zusätzlich das Vertrauen in die Vermittlungsagenturen. Diese Standards gewährleisten, dass die Betreuung nicht nur organisatorisch, sondern auch menschlich auf hohem Niveau bleibt.
Herausforderungen und Chancen
Trotz aller Vorteile bleibt die Organisation einer 24-Stunden-Betreuung komplex. Sie erfordert rechtliches Wissen, finanziellen Überblick und die Bereitschaft zur engen Abstimmung zwischen allen Beteiligten. Gleichzeitig bietet dieses Modell eine einzigartige Chance, ein selbstbestimmtes Leben im gewohnten Umfeld zu führen – ein Wunsch, der für viele Menschen zentral ist.
Die 24-Stunden-Betreuung ist somit eine wertvolle Option für Familien, die eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung sicherstellen wollen. Mit der richtigen Planung und fundierter Information lässt sich eine Lösung finden, die Pflege, Sicherheit und Lebensqualität in Einklang bringt.
Nützliche Links:
Informationen zur 24-Stunden-Betreuung des Sozialministeriums
Österreichische Qualitätszertifikat für 24 Stunden Agenturen
Broschüre des Sozialministeriums, 24-Stunden-Betreuung zu Hause - Ein Überblick
24-Stunden-Betreuung Verträge mit Vermittlungsagenturen was Sie wissen sollten